Sommer 2010: Überall sieht man Deutschland-Fahnen, an den Autos, in den Fenstern, in der Werbung. Es gibt Schminke, Perücken und Gummibären in Schwarz-Rot-Gold. Alle sind gut gelaunt und feuern „unsere Jungs“ an. Kein Zweifel: Es ist wieder Fußball-WM der Männer. Kein Problem? Wir wollen den „Party-Patriotismus“ einmal kritisch durchleuchten und die „gute Stimmung“ hinterfragen.
Denn es stellt sich die Frage, was die Fans mit den Deutschland-Fahnen ausdrücken. Wollen sie nur ihre Mannschaft anfeuern? Wohl kaum, schließlich ist die Fahne nun einmal ein Symbol für die Nation und nicht nur für die Mannschaft. Analog dazu sind patriotische Ausbrüche wie „Ich liebe Deutschland“ und „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“ zu betrachten, die man immer wieder von Fans zu hören bekommt.
Gerade die letzte Aussage ist dabei sehr interessant: Man ist wieder „stolz“, ein Deutscher zu sein. „Stolz“ kann man aber nur auf eigene Leitungen sein, und Deutsch-Sein ist keine Leistung. Patriotismus ist also äußerst paradox und zeugt von geistiger Armut.
Doch er ist nicht nur Zeichen von Dummheit, sondern kann auch äußerst gefährlich sein. Das durch Patriotismus entstehende Wir-Gefühl erzeugt nämlich automatisch ein Die-Gefühl, was die Soziologie als In-Group/Out-Group-Prinzip bezeichnet. Durch das Nationalbewusstsein werden automatisch Menschen anderer Nationalitäten ausgegrenzt, der Übergang zu Nationalchauvinismus und Rassismus ist also fließend, gerade beim von Ex-Bundespräsident Horst Köhler gelobten „unverkrampften Patriotismus“.
Ein Beispiel für die rassistischen Tendenzen im „Fußball-Patriotismus“ ist das (übrigens von Michael Ballack provozierte) Foul des Ghanaers Kevin-Prince Boateng am deutschen Kapitän im Vorfeld der WM. Die Tatsachen wurden ausgeblendet, es hagelte von rassistischen Anti-Boateng Gruppen bei Facebook und anderen Sozialen Netzwerken.
Patriotismus braucht auch immer einen historischen Bezug, und die deutsche Geschichte ist nun einmal scheiße: 2 Weltkriege, die Shoah, und diverse Kontinuitäten zwischen Nazi-Deutschland und der BRD (ranghohe Nazis hatten nach wie vor hohe Posten inne, u.a. in Adenauers Regierung).
Kein Wunder also, dass sich Nazis in dieser Atmosphäre pudelwohl fühlen. So erklärte NPD-Kader Jürgen Gansel: „Die Herrschenden in Politik und Kultur müssen feststellen, dass über 60 Jahre nach Kriegsende nationale Gemeinschaftssehnsüchte nicht länger unterdrückt und Nationalbewusstsein nicht mehr unter moralische Quarantäne gestellt werden kann.“
Und gerade von diesem Nazis grenzen sich Fußballfans oft nicht ab, im Gegenteil, sie feiern gemeinsam mit ihnen die deutsche Nationalmannschaft. Bei vielen Spielen und Public-Viewing-Übertragungen erklingen Rufe wie „Ausländer Raus“ oder „Sieg Heil“, neben schwarz-rot-goldene Fahnen gesellen sich schwarz-weiß-rote Reichsfahnen und die Fans singen ganz selbstverständlich die erste Strophe des Deutschland-Liedes.
Dabei ist den Nazis und den Fußball-Fans egal, dass die deutsche Nationalmannschaft größtenteils aus Menschen mit Migrationshintergrund besteht, diese Spieler werden dann eben eingedeutscht. So berichtete die Bild-Zeitung über Cacau: „Er singt die Nationalhymne lauthals mit, sein Spitzname ist ›Helmut‹. Gebürtiger Brasilianer, der deutsch spricht, deutsch spielt und deutsch tickt. Cacau grinst: ›Ich war nie ein typischer Brasilianer. Ich kam nie 60 Minuten zu spät, sondern nur 20 Minuten. Meine ganze Mentalität ist deutsch‹“.
Ein anderes Beispiel für den scheinbar unpolitischen Patriotismus ist der Eurovision-Song-Contest.
Zum ersten mal seit Jahren gewann dabei wieder eine deutsche Kandidatin und „unsere Lena“ wurde von der ganzen Nation gefeiert, auch hier kamen wieder Deutschland-Flaggen zum Einsatz.
Von Israel bekam Lena 0 Punkte und prompt hagelte es antisemitische Reaktionen auf Twitter und Facebook: „Israel, scheiß Juden“, „Da hat Lena wohl zu viel Gas gegeben“ und „Die Juden sind immer so nachtragend“ sind nur einige Beispiele für den „harmlosen“ und „unpolitischen“ Patriotismus der Deutschen.
Doch beschäftigen wir uns einmal mit dem Lieblingssymbol der Patrioten und Fußball-Fans: Der schwarz-rot-goldenen Flagge.
Oft wird behauptet, sie sei eine klare Abgrenzung gegenüber Rechtsextremismus und stünde für die Demokratie, da sie ja aus der März-Revolution von 1848 stamme.
Doch wenn man sich genauer mit der Geschichte beschäftigt, wird man feststellen, dass die Schwarz-Rot-Gold schon in der März-Revolution keineswegs in erster Linie ein Symbol für die Demokratie war, sondern für die Nation. Sie wurde damals vor allem von Nationalliberalen, die nicht wirklich Gegner der Monarchie waren, getragen, die wahrhaft progressiven Kräfte benutzten schon damals nur die rote Fahne.
Die Farben Schwarz, Rot und Gold kommen auch gar nicht aus der März-Revolution, sondern sind um einiges älter. So wurden sie schon im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation verwendet. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die Farben dann im „Befreiungskrieg“ gegen Napoleon in den Uniformen des Lützowschen Freikorps verwendet. Auch dieses hatte keine demokratischen Absichten, sondern verteidigte die absolutistischen deutschen Fürstentümer gegen Frankreich, dass, obwohl es monarchisch geführt wurde, immerhin Bürgerrechte garantierte. Am 9. März erklärte der Bundestag des Deutschen Bundes, eine Versammlung der Monarchen, Schwarz-Rot-Gold zu den Farben Deutschlands. Im Deutschen Kaiserreich, als sich Schwarz-Weiß-Rot durchsetzte, verwendete die rechtsextreme Opposition weiterhin Schwarz-Rot-Gold als Symbol für Großdeutschland (Deutschland + Österreich). Erst in der Weimarer Republik wurde die Fahne als Symbol der „Demokratie“ umgedeutet.
Doch dieser Patriotismus ist nicht nur dämlich und weist erhebliche nazistische Tendenzen auf, sondern er wird auch von den herrschenden PolitikerInnen geschickt eingesetzt und genutzt, um revolutionäre Tendenzen zu ersticken.
So plakatiert z.B. die CSU: „Was unser Land jetzt braucht: Zusammenhalt.“, dazu die Farben Schwarz-Rot-Gold. Du als ArbeiterIn hast also nicht mehr Lohn oder bessere Bedingungen zu fordern, sondern sollst dich dem nationalen Zusammenhalt unterordnen und gefälligst den Mund halten. Auch wird die Ablenkung durch die WM-Euphorie genutzt, um in dieser Zeit unpopulistische Gesetze zu beschließen. 2006 wurde die Mehrwertsteuer erhöht, jetzt wird ein unsoziales Sparpaket verabschiedet. Und dem Volk ist es egal, denn es darf ja fähnchenschwingend vor dem Fernseher verblöden und sein Land feiern.
Wir, die Antifa Euskirchen/Eifel lehnen jede Art von Patriotismus, Nationalismus und Chauvinismus entschieden ab.
Insbesondere der deutsche Patriotismus ist abzulehnen, nach dem Holocaust und dem 2. Weltkrieg ist jeder positive Bezug auf Deutschland fatal!
Nationalstaaten sind willkürliche Gebilde, die im Laufe der Jahrhunderte durch Kriege und Eroberungen der Herrschenden entstanden sind. Sie sind die Ursache von Krieg und Abschiebung, und gehören somit abgeschafft. Bis dies geschafft ist, muss der Paragraph 90a StGB dringend abgeschafft werden, der die „Verunglimpfung von nationalen Symbolen“ verbietet und somit ein erheblicher Einschnitt in das Recht auf Meinungs- und Kunstfreiheit ist.
Patriotismus und Nationalismus bekämpfen!
No Love for a Nation – erst recht nicht für Deutschland!
Nationalstaaten überwinden – für die Weltrevolution!
Download des Flyer hier >>> Gegen Patriotismus und hässliche Stoffstreifen